FULDA, 09.04.2021. Zeljko Poturicek verließ vor fast 50 Jahren sein Heimatland Kroatien – und fand in Fulda ein neues Zuhause. Heute hilft er anderen Menschen beim Ankommen – als Integrationslotse im Landkreis Fulda. Ein Engagement, für das er jüngst von der Hessischen Landesregierung geehrt wurde.
Mehr als 850 Integrationslotsinnen und -lotsen gibt es in ganz Hessen. 19 von ihnen würdigte Sozialminister Kai Klose für ihren besonderen Einsatz – Zeljko Poturicek gehörte dazu: „Das hat mich überrascht und natürlich auch gefreut. Meine Frau meinte scherzhaft, dass ich jetzt bestimmt einen halben Meter größer sei“, erzählt der 70-Jährige mit einem Lachen und erklärt: „Als ich vor vielen Jahrzehnten nach Fulda kam, haben auch mich Menschen sehr unterstützt – das möchte ich gerne zurückgeben.“
Mittlerweile liegt es fünf Jahre zurück, dass der Rentner von einem Angebot des Treffpunkt Aktiv, der Servicestelle des Landkreises Fulda für freiwillig Engagierte, gelesen hatte – ein Qualifizierungskurs zum „Integrationslotsen“. Er hatte Zeit und Lust. In 36 Stunden erwarb er in komprimierter Form Hintergrundwissen zu Themenfeldern wie Aufenthaltsrecht und Asylverfahren, Umgang mit Trauma und interkulturelle Kommunikation. Danach war er zunächst im Einsatz in einer Fuldaer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete. Seit fast vier Jahren ist er in sehr enger Verbindung zu drei Familien, die aus unterschiedlichen Gründen und verschiedenen Ländern hier Zuflucht suchten. Sie leben mittlerweile in eigenen Wohnungen, und die Kinder besuchen die Schule oder machen eine Ausbildung.
Dennoch brauchten sie Hilfe, berichtet Zeljko Poturicek. Mindestens einmal die Woche schaut er bei jeder der Familien persönlich vorbei. „Dazu kommt der regelmäßige Austausch über Telefonat oder Messenger“, sagt der 70-Jährige. Typischer Fall, in dem er gefragt ist: ein Brief von einer Behörde ist gekommen oder jemand muss zum Arzt. Das Verständnis für die deutsche Sprache sei manchmal eine Hürde – allerdings seiner Erfahrung nach nicht die größte. „Auch ich unterhalte mich mit den Familien auf Deutsch“, berichtet der Integrationslotse und erklärt: „Entscheidend ist offenbar das Vertrauen.“ Oft erzähle er ihnen genau dasselbe wie andere. Aber weil sie ihn kennen und eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm hätten, würden sie ihm glauben und ihn verstehen.
Und dabei hat der gebürtige Kroate nicht nur das Vertrauen der Geflüchteten, sondern auch das der Schulen und Behörden: „Wenn irgendwas zu klären ist, melden sie sich meist gleich bei mir.“ Doch das bedeute keinesfalls, dass er alles einfach regelt: „Ich möchte, dass die Familien sich selbst kümmern, etwa gesetzte Fristen einhalten und Formulare ausfüllen oder Unterlagen besorgen“, beschreibt der Fuldaer seinen Ansatz von der Hilfe zum selbstverantwortlichen Handeln.
Dieser Einstellung hat Zeljko Poturicek wohl auch seinen eigenen Lebensweg zu verdanken. „Als ich 1973 mit meiner Frau nach Fulda kam, war eigentlich der Plan, dass wir zwei, drei Jahre später wieder nach Zagreb zurückgehen“, erzählt der 70-Jährige. Doch dann wurde erst der Sohn, dann die Tochter geboren. Und sein Arbeitgeber, von dem er viel Rückhalt erfahren habe, gab ihm die Chance aufzusteigen und sich weiter zu qualifizieren. Vom Schlosser zum Montageleiter zum Ingenieur. Dauerhaft zurück in die alte Heimat zu gehen – das hätten er sich nie ernsthaft vorstellen können. „Wenn ich nach einer Reise die Autobahnausfahrt ‚Fulda‘ sehe, denke ich immer: ‚Ein Glück, wir sind zuhause‘“, sagt Zeljko Poturicek mit einem Lächeln.