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Auch im Landkreis Fulda leben Frauen, die unter den Folgen weiblicher Genitalverstümmelung leiden / LebKom, Pro Familia und Integrationsbüro informierten

Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) ist ein emotional schwieriges Thema; dennoch gelang es Dozentin Kerstin Hesse von LebKom in einer Fortbildung, den teilnehmenden Fachkräften unterschiedlicher Berufsgruppen auch positive Perspektiven zu geben. Foto: LebKom

Eine Fortbildung, die unter die Haut ging und Mut machte

FULDA, 27.12.2019 - 41 Jahre ist es her, dass der „böse Mann mit dem schwarzen Köfferchen“ zu der damals sechsjährigen Khadijo und ihrer ein Jahr älteren Schwester kam. Doch noch immer schmerzen die Folgen der Beschneidung, bei der sechs Nachbarinnen die schreienden und weinenden Kinder auf dem Küchentisch festhielten; es ist nicht nur die Verletzung an sich, die Probleme bereitet, sondern auch die Erinnerung an die erlittene Gewalt.

 

Trotzdem fasste Khadijo, die 1997 mit ihrer Familie vor dem Bürgerkrieg in Somalia geflohen war und als Dolmetscherin für den Landkreis arbeitet, jetzt bei einer Fortbildung über die Menschenrechtsverletzung weibliche Genitalverstümmelung (kurz FGM) spontan den Mut, über ihr Trauma zu sprechen. Das Integrationsbüro des Landkreises hatte zu der Veranstaltung eingeladen, die vom hessischen Ministerium für Soziales und Integration initiiert worden ist. Gemeinsam mit dem Landesverband von Pro Familia sensibilisierte der Fuldaer Verein „Lebendige Kommunikation“ (LebKom) Fachkräfte unterschiedlicher Berufsgruppen für dieses Thema.

 

20 Teilnehmerinnen, darunter Hebammen, Dolmetscherinnen, Mitarbeiterinnen von Frauenschutzorganisationen und Frauenbeauftragte, fühlten mit Khadijo mit, als diese von ihrer Angst und den Schmerzen ohne jegliche Betäubung berichtete und dem Durst in der somalischen Hitze, während sie vier Tage lang mit zusammengebundenen Beinen auf dem Boden liegend nur wenig Trinken und kaum Beachtung erhielt. „Das ging unter die Haut“, sagt Katharina Michel, die Leiterin des Integrationsbüros. Beeindruckend findet sie, wie es der Dozentin Kerstin Hesse von LebKom gelang, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, auf die Teilnehmerinnen einzugehen und - anhand des erfolgreichen Praxisbeispiels Fulda-Mosocho-Projekt - positive Perspektiven zu geben.

 

Hesse arbeitet als speziell geschulte Anti-FGM-Fachkraft nach dem Wert-zentrierten Ansatz, den die Fuldaer Professorin Muthgard Hinkelmann-Toewe entwickelt hat, um der Gewalt gegen Frauen entgegenzuwirken. Ein Grundsatz dabei ist, dem Gegenüber und dessen Werten unvoreingenommen zu begegnen.  „Ich fühlte mich frei, über meine schlimme Erfahrung zu sprechen“, sagt Khadijo. Denn die Somalierin mit deutscher Staatsangehörigkeit fürchtete nicht, dass die Anwesenden ihre Wurzeln, auf die sie stolz ist, durch die Schilderung in einem negativen Licht sehen würden. „Der Brauch hat nichts mit kultureller Identität zu tun, sondern mit Schmerzen und dem Leid von Kindern“, stellt die ansonsten eher zurückhaltend wirkende Frau mit Bestimmtheit klar.

 

Weltweit sind 200 Millionen Frauen und Mädchen von FGM betroffen, vor allem in Ländern Afrikas und Asiens. Durch Migration finden sich auch in Deutschland immer mehr Frauen, die mit den Folgen dieses Eingriffs leben müssen, oder Mädchen, die davon bedroht sind. Wie viele Betroffene es im Landkreis Fulda sind, kann nur geschätzt werden. „Sehr viele“, meint Khadijo. Allein am Vortag habe sie in ihrer Tätigkeit als Dolmetscherin mit vier Frauen über dieses Thema gesprochen. Alle, denen sie bislang begegnet ist, sind sich einig: Sie seien froh, in Deutschland ihre Töchter nicht beschneiden zu müssen. Zwei ihrer Gesprächspartnerinnen, die ihre Kinder zunächst in der Obhut der Großeltern zurücklassen mussten, hätten der Familie zu Hause per Telefon diesen Eingriff untersagt. „Da sie die Haupternährer sind, wird auf sie gehört“, ist Khadijo überzeugt.

 

Wer im Raum Fulda den Verdacht hat, dass ein Mädchen Opfer von FGM werden könnte, beispielsweise bei einem anstehenden Urlaub in der Heimat der Eltern, der solle sich an das Jugendamt von Stadt oder Landkreis, das Integrationsbüro oder an LebKom wenden, rät Katharina Michel. Khadijo begrüßt es, dass das Thema in der Öffentlichkeit bekannt gemacht wird. Bedarf sieht sie für eine Veranstaltung, die sich an betroffene Frauen richtet, damit diese sich austauschen und gegenseitig stärken können. Doch noch wichtiger fände sie, dass sich Gynäkologen über FGM und die gesundheitlichen Folgen informieren. „Unglaublich“ sei, was sie als Dolmetscherin in manchen Praxen miterlebt habe. Weitere Infos zu FGM auf der Homepage des Vereins LebKom unter www.fulda-mosocho-project.com

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