RHÖN Sechs Jahre, fünf Landkreise, 910.000 Euro – und insgesamt 200 Helferinnen und Helfer: Das länderübergreifende Artenhilfsprojekt „Rotmilan in der Rhön“ ist geprägt von einer beispiellosen ehrenamtlichen Leistung. Seit dem 31. Juli 2020 ist die Projektlaufzeit offiziell beendet – der Schutz des Charaktervogels der Rhön geht aber weiter.
Den Titel „Charaktervogel der Rhön“ trägt er nicht ohne Grund: Der Rotmilan (Milvus milvus), erkennbar an seinem unverwechselbaren gegabelten Schwanz, kreisend über den Wiesen und Weiden, gehört zwischen Februar und Oktober zum Rhöner Landschaftsbild. Etwas mehr als 1 Prozent der gesamten Weltpopulationen des geschützten Greifvogels lebt im Dreiländereck Hessen, Bayern und Thüringen. Damit der Rotmilan trotz der sich verändernden Bedingungen wie der Intensivierung der Landwirtschaft in der Rhön weiterhin einen idealen Lebensraum findet, hat die Regionale Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Rhön ein länderübergreifendes Schutzprojekt beschlossen, das im Jahr 2014 gestartet ist. Sechs Jahre lang wurden vielfältige Maßnahmen zum Schutz des Greifvogels umgesetzt und erprobt. Gefördert wurde das Projekt im Rahmen des Bundesprogramms „Biologische Vielfalt“ durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Auch die ARGE Rhön war beteiligt. Insgesamt standen 910.000 Euro zur Verfügung.
Mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Abschlussveranstaltung
Bereits im Februar ließen die Verantwortlichen und zahlreiche Projektpartner die vergangenen sechs Jahre bei einer großen Abschlussveranstaltung Revue passieren – mit prominenten Gästen: Grußworte sprachen der Hessische Umwelt-Staatssekretär Oliver Conz, die beiden Vize-Landräte Frederik Schmitt (Landkreis Fulda) und Josef Demar (Rhön-Grabfeld) als Vertreter der ARGE Rhön sowie Dr. Sandra Balzer vom Bundesamt für Naturschutz.
Auch zahlreiche Ehrenamtliche waren in die Rhönhalle in Gersfeld gekommen. Durchschnittlich 120 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer haben die Projektleitung und die drei Biosphärenreservat-Verwaltungsstellen jedes Jahr bei der Revierkartierung auf rund 4900 km² unterstützt. Fast die Hälfte der Ehrenamtlichen war von Anfang bis Ende der Projektlaufzeit jedes Jahr dabei. Sie wurden von der Projektleitung betreut und eingewiesen, nahmen an zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen und Aktionstagen teil. Der ehemalige Projektleiter Julian Oymanns und seine Nachfolgerin Heidi Witzmann stellten die Ergebnisse der Kartierungen vor. Zwischen 2015 und 2020 schwankte die Anzahl der Revierpaare zwischen 320 und 390, davon brüteten etwa 200 Paare. Der aktuelle Bestandstrend ist mit ca. 10 Prozent Zunahme der Revierpaare leicht positiv. Maßgeblichen Einfluss auf den Bruterfolg eines Jahres hatten Witterungsverlauf und Nahrungsverfügbarkeit, erklärten Witzmann und Oymanns.
Sie dankten der ARGE Rhön für das Ermöglichen des Projekts, den Ehrenamtlichen, den beteiligten Landwirten, dem Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) für die wissenschaftliche Begleitung sowie dem Büro PlanWerk Nidda, insbesondere Wolfgang Wagner. Das Büro war zusammen mit dem Büro für faunistische Fachfragen Linden maßgeblich an der Erstellung eines Schutz- und Entwicklungskonzepts für den Rotmilan in der Rhön beteiligt und unterstützte das Projekt mit großem Fachwissen und Engagement.
Kartiersaison 2020: Durchschnittlich gute Ergebnisse
Die Förderperiode ist nun beendet, vorbei ist das Projekt aber nicht. Zunächst gilt es, die Daten der Kartiersaison 2020 zu digitalisieren und auszuwerten. Genau 100 Kartiererinnen und Kartierer waren in diesem Jahr im Einsatz. „So konnten wir die Projektkulisse sehr gut abbilden“, sagt Heidi Witzmann. „Wir haben 149 von insgesamt 191 Quadranten bearbeitet – das ist wesentlich mehr als in den Vorjahren.“ Vor allem in Thüringen wurden in diesem Jahr erheblich mehr Flächen abgedeckt – dank eines Aufrufs zu einer landesweiten Rot- und Schwarzmilankartierung des Vereins Thüringer Ornithologen (VTO) und der Thüringer Vogelschutzwarte. Auch in Bayern und Hessen war das Engagement stark – so wie bereits in den Vorjahren. „Den ersten Rotmilan haben wir diesmal schon am 1. Februar zurück in seinem Revier gesichtet“, berichtet Heidi Witzmann. Insgesamt sei der Witterungsverlauf günstig gewesen, „der starke Regen Anfang Juni kam zum Glück erst, als die jungen Rotmilane schon relativ fit waren.“ Die Daten zum Bruterfolg werden nun noch ausgewertet. Witzmanns erste Prognose: „Durchschnittlich gut – auch wenn die Prädation wieder eine große Rolle gespielt haben dürfte, vor allem kurz vor dem Ausfliegen der Jungvögel.“
Wie bereits in den Vorjahren sei die Zusammenarbeit mit dem Forst sehr gut gelaufen: Neue Horste oder Störungen wurden unmittelbar an die zuständigen Forstämter kommuniziert, diese reagierten prompt. „Das hat viel zum Schutz der Brutstätten beigetragen“, betont Witzmann. Ein weiterer wichtiger Partner im Artenhilfsprojekt: die Landwirtschaft. Während des gesamten Projektzeitraums sind in Zusammenarbeit mit den rund 40 beteiligten Betrieben mehrere landwirtschaftliche Maßnahmen umgesetzt und erprobt worden – zum Beispiel durch Entbuschungen, angepasste Beweidung, die Mahd mit einem speziellen Messermähwerk oder das Anlegen von Blüh- und Ackerrandstreifen. „Besonders erfolgreich waren in 2020 die Maßnahmen Feldfutter in rotmilangerechter Mahd und Zwischenfruchtanbau sowie die Anlage von Rotmilanfenstern.“ Diese sind mindestens 10 mal 10 Meter groß, auf der Fläche wird auf die Einsaat der Kulturen verzichtet. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Nahrungsverfügbarkeit für den Rotmilan auf den Maßnahmenflächen deutlich erhöht wurde“, sagt Witzmann. „Aber auch andere Vögel wie Rebhuhn und Feldlerche der Agrarlandschaft haben davon profitiert.“
Wie geht es weiter?
Witzmanns Projektstelle in der Hessischen Verwaltung des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön läuft noch bis Oktober. Bis dahin verfasst sie den Abschlussbericht, der an das BfN übergeben wird. Bereits im September soll es – sofern möglich – ein Abschlussfest mit den Ehrenamtlichen geben. „Ohne sie wäre ein solches Projekt nicht umsetzbar gewesen“, betont Witzmann.
Viele der Kartiererinnen und Kartierer haben bereits zugesagt, das Biosphärenreservat und seine Partner auch weiterhin unterstützen zu wollen. Ziel ist eine Fortführung der Kartierungen der drei Biosphärenreservat-Verwaltungsstellen in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Vogelschutzwarten. Hierzu waren auf der Abschlussveranstaltung im Februar bereits symbolische Staffelstäbe an Karola Marbach (Thüringer Verwaltung UNESCO-Biosphärenreservat Rhön), Dr. Tobias Gerlach (Bayerische Verwaltung) und Martin Hormann (Staatliche Vogelschutzwarte Frankfurt) übergeben worden.
„Hinsichtlich der Umsetzung von Agrarumweltprogrammen hoffen wir, dass die während des Projekts gesammelten wertvollen Erfahrungen in der nächsten EU-Förderperiode berücksichtig werden“, sagt Witzmann.